Was macht Erfolg aus? Branchen-Experten zeigen Lösungen
Der 13. Heilbronner Weinmarketingtag bewies mit den Beiträgen zum Thema „Was macht Erfolg aus?” einmal mehr seine Bedeutung als Branchentreff der Wein- und Getränkebranche. Auf dem Bildungscampus der Hochschule Heilbronn schilderten sechs Experten Erfolgsgeschichten, beschrieben Erfolgsfaktoren und gaben den rund 100 Besucher*innen wichtige Anregungen und
Konzepte an die Hand.
Den Kontext zur besonderen Situation mit Auswirkungen von Corona-Krise und Ukraine-Krieg, aber auch
zur wirtschaftlichen Entwicklung und dem digitalen Wandel stellten die Initiator*innen der Veranstaltung gleich zu Beginn her. Prof. Dr. Ruth Fleuchaus, Professorin im Studiengang Weinmarketing und Management, schilderte die schwierige Situation der Branche, veranlasst durch Inflation und steigende Kosten. Prof. Dr. Daniel Deimling, Studiendekan Weinmarketing und Management, stellte zu Beginn die Referenten vor. Am Ende des Weinmarketingtages konnten die beiden eine positive Bilanz ziehen. Die Teilnehmerzahl war erfreulich, das Interesse der Besucher*innen ausgesprochen groß. Bis zum Ende der Veranstaltung gab
es rege Diskussionen.
Die Bedeutung des Studiengangs Weinmarketing und Management habe sich neben der positiven
Resonanz bei den Besucher*innen auch in der Einbindung der Studierenden gezeigt. Sie waren Teil der Veranstaltung, helfende Hände und freudige Diskutant*innen im Austausch mit den Referenten.
Besondere Bedeutung sei dem Netzwerken von Studierenden, Besucher*innen und Aussteller*innen
zugefallen. Nicht nur aufgrund des Fachkräftemangels herrscht in der Branche seit jeher großes Interesse
an den Absolvent*innen des Studiengangs und die zahlreichen Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme wurden aktiv genutzt.
Jochen Dreissigacker: Communityaufbau mit NFTs
Welche Bedeutung Innovationen für das Weinmarketing haben können, verdeutlichte Jochen Dreissigacker. Der biodynamisch arbeitende Winzer berichtete über die Implementierung von NFTs in der Weinwirtschaft. Diese Non-Fungible Tokens sind digitale Echtheitszertifikate, wie sie in Blockchains auch für Kryptowährungen eingesetzt werden. Ausschlaggebend für diese Vermarktung seiner Spitzenweine war für Dreissigacker, dass sich sein Familienweingut von Mitbewerberinnen habe abheben und eine unverwechselbare Handschrift zeigen müssen. Diese Identität müsse im Geschmack seiner Weine erkennbar sein und sei die Grundlage für das Vertrauen seiner Kund*innen. Doch der wachsende Aufwand, verursacht durch den Neubau eines Weinguts, durch Flächenzuwachs, die biologische Bewirtschaftung und den Fokus auf Qualität, bedingt einen hohen Zeitaufwand. Jedes Jahr werden 15 bis 20 Prozent von den Erträgen der Einzellagen auf die Seite gelegt. Diese Weine erhalten mehr Zeit für Entwicklung und Reife, sie werden durch NFTs vermarktet. Aber die Arbeit in einem Familienweingut ist nicht beliebig skalierbar. Als durch Corona rund 80 Prozent der Kundenbestellungen ausblieben, stellte er die Kommunikation auf eine neue Basis. Im Vordergrund stehen maximale Transparenz, das Schaffen von Vertrauen und die Markenbildung. Für die Spitzengruppe seiner gereiften Weine ‚Selected Wines‘ setzte er auf ‚Selected NFTs‘ und ‚Selected Circles‘. Die besten Weine bleiben im Weingut bis zum Zeitpunkt ihrer optimalen Reife. Eigentum daran erwirbt man über die NFTs und ein nicht kopierbares Hologramm. Mit Netzwerk-Events wird eine Community aufgebaut. So werden physische Assets mit Technologie verbunden und in einer digitalen Welt ein loyaler Kundinnenstamm aufgebaut. Das Weingut Dreissigacker hat als eines der ersten europäischen Weingüter NFTs eingesetzt.
Dreissigacker übernimmt die Lagerung der mit NFTs gehandelten Spitzenweine bis zum richtigen Zeitpunkt
für die perfekte Reife. Das bedeutet für das Weingut einen hohen Kapitaleinsatz und Risiko. Sammlerstücke
bleiben im Weingut, selbst wenn die Weine mehrfach rund um die Welt gehandelt werden.
„Wir müssen uns erneuern und weiterentwickeln in der Branche“, betont Dreissigacker. Es gehe um eine
riesige Vorfinanzierung und die Einführung einer neuen Preisklasse für deutschen Wein.
Bruno Wissler (Pfanner): Eistee und Innovationen
Eine Erfolgsgeschichte aus einem anderen Bereich der Getränkebranche berichtete Bruno Wissler, seit 25
Jahren Head of Marketing von Pfanner. Der Weinbranche tue es gut, über den Tellerrand zu schauen,
betonte Prof. Fleuchaus zu diesem Thema aus der Getränkeindustrie.
Das österreichische Unternehmen ist seit Jahren der größte Anbieter von Eistee mit modernsten Werken in
Deutschland, Österreich und Italien. Rund 80 Prozent des Umsatzes entfallen auf den Export in 70 Länder.
Das Wachstum des Unternehmens erfolgt zu 20 Prozent durch Innovationen, zu weiteren 50 Prozent durch
die Marke und zu 30 Prozent durch Produktion von Handelsmarken.
Als Beispiel für das Potenzial von Innovationen nannte Wissler die ‚Solevita Ingwer Shots‘. Die Mini-
Flaschen des Mix-Fruchtsafts werden von Lidl vermarktet und von Pfanner produziert. Trotz des geringen
Preises rechne sich das Produkt, weil die internationale Vermarktung den Eintritt in viele neue Länder
ermögliche und damit die Marke transportiert und bekannt gemacht werde.
Mit seinem Eistee hält der österreichische Getränkehersteller mit 24 Prozent den mit Abstand größten
Marktanteil in Deutschland. Das Produkt verkaufe sich allein durch die Aufmachung gut. Das Design wird
ständig angepasst, lediglich die Grundfarbe bleibt gleich. Die Verpackung im Tetrapack ermögliche gute
Kommunikation mit Kundinnen und Kunden, denn die bedruckbare Fläche biete viel Raum für Storytelling.
‚Limited Editions‘ sind nach Wisslers Erfahrung ein guter Einstieg, denn Kunden liebten es, neue Dinge auszuprobieren. Für die Entwicklung von Neuheiten reichten dem Unternehmen sechs Monate. „Die Schnellen fressen dir Großen“, betonte Wissler. Gute Chancen bieten für ihn Social Media und Influencerinnen.
Das Unternehmen setzt auf bodenständige Kommunikation. Als „Reise der Innovationen“ bezeichnete
Wissler die ständige Ideensammlung im Marketing und von den Einkäufer*innen. Ergebnis sind neue Produkte, die sich in frischen Farben präsentieren, Ablenkung von aktuellen belastenden Themen bieten und Sorglosigkeit vermitteln. Das Design müsse ausreichend Orientierung ermöglichen und die Zielgruppe emotional ansprechen. „In Farben denken, funktioniert gut”, beschrieb Wissler seine Erfahrung. Neue Ideen reichen vom verstärkten Einsatz von Dosen über nachhaltige Lösungen wie Flaschen aus PET, die Pfanner auch der Weinbranche empfehlen würde.
Alexander Stein: Medien und Marketing
Eine spannende Erfolgsgeschichte mit inspirierenden Ideen vermittelte Alexander Stein den Besucher*innen. Der Schöpfer des Gin „Monkey 47“ kam durch seine Eltern früh mit Herstellung und
Handel von Spirituosen in Kontakt.
Seine erste Idee für ein eigenes Produkt war, einen hochwertigen Gin als „Parfüm“ zu kreieren, der vor allem
durch einen angenehmen Duft auffällt. Besonders wichtig waren ihm die Zutaten. Sein Gin „Monkey 47“
beinhaltete 47 Zutaten, nachdem er das Rezept immer wieder verfeinert hatte. Da Gin früher auch 47
Prozent Alkoholgehalt hatte, nahm er diese Zahl in den Namen seines Produkts auf.
Die gleiche Sorgfalt verwendete er auf die Verpackung. Er entwickelte eine eigene Flasche, die der
Apothekerflasche nachempfunden ist. Die Form sollte dem Produkt eine Seele geben, denn, so Stein:
„Design ist ein Versprechen, das gehalten werden muss“. Ein weiterer Vorteil der relativ kleinen Flasche sei
zudem, dass sie in der Bar im Regal nach vorne gestellt wird, um gesehen zu werden.
Noch während der Gin reifte, erzeugte Stein mediale Aufmerksamkeit für seine Schöpfung. Von einem New
Yorker Künstler, der Kunstscheine für seine Bilder herausgab, schaute er sich seine schön gestalteten
Monkey 47-Genussscheine ab, die ein Bezugsrecht aus der ersten Auslieferung sicherten. Interessent*innen kauften und warteten gerne auf die Auslieferung, ohne das Produkt gekannt zu haben. Aufmerksamkeit und Traffic für sein Produkt erhielt Stein durch geschickte Kommunikation mit Journalist*innen und Kund*innen, wobei dem Storytelling eine entscheidende Rolle zufiel. Weil die Geschichte zu seinem Produkt so gut gewesen sei, dass man sie erzählen wollte, gab es jedes Jahr eine neue Geschichte zu erzählen. 2020 verkaufte Stein „Monkey 47“ an einen Konzern.
Sascha Bartnitzki: Kundendialog und Erlebnis-Orientierung
Raus aus der Komfortzone – neue Kund*innen kommen nicht von alleine! Mit diesem Leitsatz seines
innovativen Personaltrainings rüttelte Sascha Bartnitzki die Zuhörerinnen auf. Er stellte fest, dass in Verkaufsgesprächen der menschliche Faktor oft vernachlässigt werde. Die im Kundendialog üblichen „Was möchten Sie-Fragen“ spielten kaum noch eine Rolle, weil die meisten Kundinnen bereits umfassend
informiert seien, bevor sie ein Geschäft betreten.
Er betont stattdessen die „Wie-Fragen“ und nutzt für den Kundenkontakt in Vinotheken vor allem offene Fragen und das Schaffen von Erlebnissen. Dem Nachfassen durch Anrufe bei Kunden vier bis sechs
Wochen nach dem letzten Kauf misst er große Bedeutung zu. Durch gut strukturierte Gespräche und
Fragen nach der Zufriedenheit könne man Kund*innen halten und auch zurückgewinnen. Speziell für Wein-Kund*innen aus der Gastronomie bietet Sascha Bartnitzki das „Call-safe-Call-System“ an.
Es beinhaltet das Vereinbaren eines Termins mit einem Ansprechpartner / einer Ansprechpartnerin und das
Versenden eines speziell gekühlten Safes in Kofferform, gefüllt mit ausgewählten Weinen und versehen mit
einem Zahlenschloss. Die Kombination für das Schloss wird erst während eines Telefonats mitgeteilt: Damit
soll verhindert werden, dass Kunden die Weine vorab probieren. Die Strategie zielt darauf ab, den Kundenkontakt zu personalisieren und die Kundenbindung zu erhöhen. Eine Methode, die nach Bartnitzkis Aussagen in der Praxis hervorragend funktioniere.
Marco Göbel: Authentizität im Marketing
Als Erfolgsfaktor im Weinmarketing hat Marco Göbel von Wineworlds die authentische Positionierung des Unternehmens und der Unternehmer*innen ausgemacht. Dabei seien strategisches Denken und die Analyse
der Ausgangssituation eines Betriebes von entscheidender Bedeutung. Ein absolut nicht zu
vernachlässigendes Element in der Authentizität eines Unternehmens sind die Mitarbeiter*innen und deren Loyalität zum Unternehmen. Traditionsreiche Unternehmen, wie sie im Weinbau oft anzutreffen sind, sollten dabei auch die Geschichte des Unternehmens in die Positionierung einbeziehen und sie für das Storytelling nutzen. Eine besondere Bedeutung kommt der Marke zu, darüber hinaus spielten starke Bilder und vor allem Videos eine immer wichtigere Rolle. Sie transportieren Emotionen und die Persönlichkeit von Unternehmerinnen und Unternehmern auf authentische Weise. Mit Authentizität in der Kommunikation gelinge es, Kund*innen in den Sozialen Medien, durch die Website oder einen Newsletter abzuholen.
Durch den Digitalisierungsschub, den die Weinbranche durch die Corona-Pandemie erfahren hat, wurden
Online-Medien und Shops in den Mittelpunkt gerückt. Mit einer Cross-Media-Strategie, in der klassische
Kanäle wie Print aber auch Instagram, Facebook, E-Mail und YouTube genutzt werden, könne eine
kohärente Positionierung erreicht werden.
Authentizität im Marketing bedeutet für ihn aber auch, Kund*innen kennen zu lernen. Durch Fragebögen und persönliche Gespräche könne der Kundenkontakt intensiviert werden, um Bedürfnisse und
Präferenzen der Kundschaft besser zu verstehen.
Nicolas Sigloch: Datenquelle Wein-Bar
Einen besonderen Weg, Einblicke in die Vorlieben seiner Kund*innen zu gewinnen, hat Nicolas Sigloch, selbst Alumnus des Studienganges, gefunden. Der Gründer der SITT Bars in Stuttgart und Heilbronn berichtete über diese „Self-Exploring Wine Experience Bar“, die 2021 von Falstaff zu einer der besten neuen Weinbars gekürt wurde. SITT ist eine Mischung aus Weinbar und Weinhandel. Mit einer Guthabenkarte können Kund*innen an Wein-Klimaschränken ihren favorisierten Wein auswählen und entweder einen Probierschluck oder bis zu 100 Milliliter davon in ihr Glas füllen.
In Heilbronn sind dafür über 100 offene Weine verfügbar. Sigloch sammelt und analysiert Daten und gewinnt
so Einblicke in das Probier- und das Kaufverhalten seiner Kunden. So konnte er erkennen, dass nur 2,9 Prozent aller Kund*innen die Option mit der größten Milliliter-Anzahl wählen. 57 Prozent entscheiden sich für
den Probierschluck und rund 40 Prozent für das mittelgroße Glas. Sigloch schließt daraus, dass die Gäste
einen ausgeprägten Wunsch nach Vielfalt und dem Probieren verschiedener Optionen haben.
Ebenfalls bemerkenswert ist für ihn, dass deutsche Weine mit einem Anteil von 46,2 Prozent klar bevorzugt
werden. Weißweine sind dabei mit 52 Prozent vertreten, Rotweine mit 27,7 Prozent, der Rest entfällt auf
Roséweine. Am häufigsten verkauft werden Flaschen im Preisbereich von 15 bis 20 Euro.
Dass sich SITT zu einem beliebten Treffpunkt entwickelt hat, führt er darauf zurück, dass jede Zielgruppe
das passende Angebot finden könne. Die geringe Hemmschwelle durch fehlende Fragen von Expert*innen machen diese Weinbars nach seiner Überzeugung zu Orten, an denen man in Ruhe verschiedene Weine probieren kann. So bekommt man nach Sigloch auch ein junges Publikum ins Haus.
Fazit
Der 13. Heilbronner Weinmarketingtag wurde seinem Ruf in der Weinbranche gerecht, das Publikum honorierte das spannende Programm mit anhaltendem Interesse und regen Diskussionen. Zwar erreichten die Besucherzahlen nicht das Vor-Corona-Niveau, aber die Bedeutung des Weinmarketingtags und
das Interesse an gut ausgebildeten Nachwuchsführungskräften aus dem Studiengang Weinmarketing und
Management sind ungeschmälert. Der 14. Heilbronner Weinmarketingtag ist für Mai 2024 geplant. Jetzt zum
Weinmarketingtag-Newsletter anmelden und informiert bleiben: www.weinmarketingtag-heilbronn.de
Weitere Informationen zum Studiengang Weinmarketing und Management an der Hochschule Heilbronn
finden Sie unter: www.hs-heilbronn.de/de/wmm. Das Bewerbungsportal ist derzeit geöffnet und eine
Bewerbung für das Wintersemester 2023/24 noch bis zum 15. Juli 2023 möglich.
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Der Heilbronner Weinmarketingtag ist eine Veranstaltung des Studiengangs Weinmarketing und Management an der Hochschule Heilbronn. Die Veranstaltung widmet sich seit 2006 aktuellen Marketingthemen der Weinbranche. Sie thematisiert neue Entwicklungen, setzt Impulse und schildert mit Hilfe erfolgreicher Protagonisten der Wein- und Getränkebranche beispielhafte Innovationen und Konzepte. Beteiligt ist auch die Perspektive Wein eG, Lehrfirma des Studiengangs Weinmarketign und Management.