„Von Trends und neuen Wegen“ – unter diesem Motto stand der 10. Heilbronner Weinmarketingtag an der Hochschule Heilbronn. 180 Fachbesucher und hochkarätige Referenten sowie Aussteller aus der Branche waren der Einladung von Initiatorin Prof. Dr. Ruth Fleuchaus und den Studierenden des Studienganges Internationales Weinmanagement in die Aula am Bildungscampus gefolgt. Ein Blick in die Teilnehmerliste zeigte, dass sich der Heilbronner Weinmarketingtag in seinem zehnjährigen Bestehen als ein fester Termin für die gesamte Weinbranche etabliert hat.
Neue Wege gehen
Professor Dr. Fleuchaus wies in ihrer Begrüßung darauf hin, dass sich die Weinwelt vor Neuerungen nicht schützen kann. Das gelte sowohl für die Produktion als auch für die Vermarktung. In einem sich sehr schnell ändernden Umfeld brauche es auch für den Wein neue Wege. Beispiele sind die veränderten Lebensgewohnheiten als Folge gesellschaftlichen Wandels, die Digitalisierung, die die Beziehungen zwischen Verkäufern und Käufern grundlegend verändert oder auch neue Wege der Finanzierung abseits herkömmlicher Modelle. Hier muss auch die Weinbranche reagieren, will sie nicht abseitsstehen.
Von food lernen
Food ist das neue Pop, Influencer sind die neuen Bands und das Internet ist die neue Bühne! So postulierte Lukas Dudek von der Agentur taste! in seinem einleitenden Vortrag “Zwischen foodporn, e-food & Food-Influencern” die Entwicklungen in der Food Szene. 69 % der Millennials fotografieren ihr Essen, bevor sie es essen! Und dabei muss heute wieder alles kleiner, einfacher, echter und näher sein. Authentizität, Food-Lifestyle und Selbstoptimierung sind Trends, die das Food&Drinks Marketing derzeit extrem verändern. „Du bist, was Du isst“ tritt wieder mehr in den Vordergrund und macht Mut zu hoffen, dass sich diese Entwicklung weiterverbreitet und auch in der Weinbrache ankommt. Mehr Wertschätzung bedeutet schließlich auch mehr Wertschöpfung.
Auch die Food Influencer gewinnen an Bedeutung, die mit ihrem aktiven Vorbild im Internet Konsumenten – insbesondere die jüngeren – beeinflussen. Sie werden aktuell vom Marketing entdeckt und gezielt in der Werbung eingesetzt. Da hilft es, wenn man Geschichten rund um das Produkt zu erzählen hat. Und wer hätte mehr Geschichten zu erzählen als die Weinbranche. Dabei wies Dudek einen interessanten Weg auf: Früher war producttelling, heute ist storytelling, morgen ist storybeing. Daraus ergibt sich die spannende Frage, wie wir es schaffen, den Kunden Teil einer interessanten story werden zu lassen.
Der Mini unter den BMWs
Wilhelm Weil vom Weingut Robert Weil stellte dem gespannt lauschenden Auditorium das Konzept Robert Weil Junior vor. Wilhelm Weil ist mit diesem Konzept eine saubere Markenabgrenzung zum Mutterhaus gelungen: Anderes Anbaugebiet, andere Rebsorten, anderes Preissegment, andere Zielgruppe, anderer Vermarktungskanal. Damit will er Zukunftsmärkte erschließen und gleichzeitig das Risiko absichern, dass angestammte Märkte sich verändern und Kunden der älteren Generation wegbrechen und sich Vertriebskanäle verschieben. Weg vom Fachhandel hin zum Lebensmitteleinzelhandel, der in den letzten Jahren deutlich Marktanteile gewonnen hat. Im Preisbereich zwischen 7,99 Euro und 8,99 Euro mit einem Handelspartner wie Edeka, war der Markteinstieg direkt ein voller Erfolg. Die Markenbekanntheit von Robert Weil gibt dem Konzept einen entsprechenden Vorschub bei gleichzeitig sauberer Abgrenzung zum Premium Segment des VDP Weingutes Robert Weil. Deshalb ist er nach Rheinhessen auf die andere Rheinseite gegangen und deshalb gibt es keinen Riesling im Sortiment.
Weil vergleicht das Konzept mit der Markenarchitektur aus der Automobil Branche. Die Robert Weil VDP Weine sind die großen von BMW, Robert Weil Junior ist der Mini. Die Qualitätsansprüche gibt das Mutterhaus vor, die Ausführung ist der Zielgruppe angepasst. Ein genialer Schachzug!
Weinladen ohne Dresscode
Auch der Weinhandel muss neue Wege gehen, das zeigen allein die tendenziell sinkenden Absatzzahlen der letzten Jahre. Besonders aktiv beim Ausprobieren neuer Formate ist die Hawesko Gruppe aus Hamburg. Stefanie Döring stellte vor, wie sich aus dem reinen Online-Anbieter Tvino das Multichannel Konzept “weinladen.de” entwickelt hat. Das aktuelle Geschäftsmodell steht auf vier Säulen. Im Mittelpunkt steht der stationäre Weinladen als junges Erlebnis-Format mit integriertem Ausschank. Er ist quasi der Leuchtturm der Marke und dient der Vernetzung und der Markenbekanntheit. Daneben betreibt weinladen.de auch einen Großhandel. Kunden sind hauptsächlich Szene-Restaurants und Gastronomie. Damit komme man auf größere Einkaufsmengen und könne den Umsatz erhöhen. Neue Kunden gewinnt weinladen.de unter anderem mit Events. Die vierte Säule ist der Webshop mit seinem Angebot über das gesamte Sortiment. Ob on- oder offline: Der einfache Zugang zu den Produkten und höchste Qualitätsansprüche stehen dabei im Vordergrund des von Stephanie Döring verantworteten Sortiments. Frei von Konventionen und verkrusteten Ritualen, bekommt Wein hier aber eine neue, zeitgemäße Erzählung.
Auch wenn das Haus Hawesko dahintersteht, so Döring, musste der Weinladen.de sich von Beginn an selbst tragen und weiterentwickeln. Mit der enthusiastischen und hoch engagierten Stephanie Döring ist das gelungen. Der Weinladen.de geht bereits in die Expansion in Hamburg aber auch in andere Städte wie Köln und Düsseldorf. Man darf gespannt sein, wie sich der „Weinladen ohne Dresscode“ weiter entwickeln wird.
Einmal online, immer online
“Warum kaufen Wein-Trinker online Wein ein?” Dieser Frage war der Studiengang Internationales Weinmanagement an der Hochschule Heilbronn schon einmal vor drei Jahren im Rahmen einer repräsentativen Befragung nachgegangen. In diesem Frühjahr wurde die Studie unter den gleichen Bedingungen noch einmal wiederholt, um zu sehen, ob sich in der Zwischenzeit Veränderungen ergeben haben. Dr. Joachim Allhoff, Institutsleiter des Heilbronner Instituts für angewandte Marktforschung an der Hochschule stellte einige Ergebnisse der aktuellen Studie vor.
45% der regelmäßigen Weintrinker haben bereits online Wein eingekauft. Über die Hälfte hat den Online-Einkauf noch nicht ausprobiert. Bereits vor drei Jahren hatten allerdings deutlich über 60% der Wein Käufer gesagt, dass der Online-Kauf für sie zukünftig eine Option ist. Daran hat sich auch bei der aktuellen Befragung nichts geändert. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Zahl der Online-Käufer zukünftig weiter zunehmen wird. Ganz wichtig sind für die Online-Wein-Käufer die Zuverlässigkeit des Anbieters und die bequeme Lieferung nach Hause. Zuverlässigkeit und Bequemlichkeit sind sogar noch wichtiger als der Preis. Haben Käufer einmal gute Erfahrungen mit einem Anbieter gemacht, kaufen Sie dort auch gerne weiter ein.
Die Studie hat auch bestätigt, dass der Online-Weinmarkt auf der Anbieterseite sehr stark fragmentiert ist. Neben den großen und bekannten Anbietern wie Amazon, Lidl oder eBay erreichen in der Bekanntheit und vor allem auch bei der Frage, wo schon einmal eingekauft wurde, die meisten Shops nur Prozentzahlen im niedrigen einstelligen Bereich. Bei Weingütern und Winzergenossenschaften direkt kaufen nur 12 % der Online-Käufer ein, 48% bedienen sich dort eher selten und 41% haben dort noch nicht gekauft. Der Grund: entweder haben das Weingut und die Winzergenossenschaft keinen funktionierenden Online-Shop (21%) oder dieser Shop ist den Käufern nicht bekannt (37%). Über 80% der Nichtkäufer würden aber durchaus in dem Erzeugershop direkt einkaufen. Hier besteht sicherlich Handlungsbedarf bei den Weingütern und Winzergenossenschaften. Weitere Ergebnisse werden in den nächsten Wochen veröffentlicht. Die Studie kann auch käuflich erworben werden.
Wünsche werden wahr
Carsten Henn, Chefredakteur der deutschen Ausgabe von “VINUM – Europas Weinmagazin“ ist Mitbegründer von ploppster.de, Deutschlands erster Crowdfunding Plattform für die Weinwirtschaft. Neben Beispielen, die bereits erfolgreich über die Plattform finanziert werden konnten, stellte Henn die Vorgehensweise beim Crowdfunding vor. Es braucht gute Ideen und gute Geschichten, die Menschen dazu bringen können sich finanziell bei der Verwirklichung eines Projektes zu engagieren. Durch den Erwerb von exklusiven Crowdfunding-Paketen werden Ideen zu Plänen, brache Flächen zu Weinhängen und leere Flaschen zu „Bottled Souls“. Neue Wege der Finanzierung, die sicherlich zukunftsträchtig sind und wie die Beispiele zeigten, nicht nur außerhalb der Weinwelt funktionieren.
Die Stimmung war gut beim 10. Heilbronner Weinmarketingtag in Heilbronn. In den Pausen fanden angeregte Gespräche und Diskussionen statt und die Besucher waren wieder einmal angetan von den inspirierenden und informativen Vorträgen und den Anregungen, die sie mit nach Hause nehmen konnten.
Auch im nächsten Jahr wird es einen Heilbronner Weinmarketingtag geben. Am 9. Mai 2019 lädt Prof. Dr. Fleuchaus zu dem spannenden Thema „Die Zukunft ist digital“ nach Heilbronn ein.
Eindrücke vom 10. Heilbronner Weinmarketingtag