9. Weinmarketingtag – 11. Mai 2017

„Exzellente Kundenerlebnisse“

Unter diesem Motto stand der 9. Heilbronner Weinmarketingtag an der Hochschule Heilbronn. Etwa 200 Fachbesucher und hochkarätige Referenten sowie Aussteller aus der Branche waren der Einladung von Initiatorin Prof. Dr. Ruth Fleuchaus und den Studierenden der Weinbetriebswirtschaft in die Aula am Bildungscampus gefolgt.

Die Referenten: Gero Becker, Lara von Tippelskirch-Lauk, Alexander Borwitzky, Prof. Dr. Ruth Fleuchaus, Prof. Dr. Axel Dreyer und Manuela Rehn (v.l.n.r.)

Exzellente Kundenerlebnisse nicht dem Zufall überlassen

Prof. Dr. Fleuchaus begann den Tag mit einem eindeutigen Appell: Auch wenn das Jahr in Folge der teils heftigen Frostschäden schwierig werden wird, dürfen wir nicht vergessen, dass der Kunde im Mittelpunkt all unserer Bemühungen stehen muss. Jeder Kunde, der abspringt, weil wir ihn nicht oder nicht richtig bedienen, ist ein verlorener Kunde, der nur schwer wieder zurückzugewinnen ist. Der Wettbewerbsdruck in der Weinbranche wird bleiben.

Kunden sind heute sehr anspruchsvoll. Im Dschungel der analogen und digitalen Welt will er optimal bedient sein. Und seine Erwartungen sind hoch. Auf der Reise durch den Dschungel all der vielen Angebote gilt es, Eindrücke im Kopf des Kunden zu hinterlassen, die nachhaltig sind. Wer die sogenannten Touchpoints, die Berührungspunkte mit dem Kunden optimal bedient, hat Aussicht auf Erfolg. Dabei geht es heute mehr denn je um die Erlebnisse als um das Produkt; eine gute Qualität des Produktes vorausgesetzt. Diese erlebnisschaffenden Berührungspunkte müssen wohl durchdacht und strategisch geplant sein.

Da kannst Du was erleben

Was früher als Drohung verstanden wurde, gilt heute als Verheißung. Egal ob in der analogen Welt des Weinverkaufs beim Erzeuger selbst oder im Fachhandel, bei Events oder Weinproben oder in der digitalen Welt des Onlinekaufs: Das Erlebnis, das Bilder in den Köpfen der Kunden hinterlässt, ist ausschlaggebend für den Erfolg des Kaufabschlusses.

Um diese Themen ging es beim 9. Heilbronner Weinmarketingtag des Studienganges Weinbetriebswirtschaft der Hochschule Heilbronn in der mit 200 Besuchern gut gefüllten Aula am Bildungscampus. Den Auftakt machte Gero Becker vom Institut für Handelsforschung in Köln, der über die Customer Journey im digitalen Zeitalter berichtete. In seinen Thesen, die er aufstellte und mit spannenden Argumenten und Daten belegte, wurde deutlich: Die Welt des Handels, egal in welcher Branche, wird sich verändern. Die Kunden denken nicht mehr in Einkaufskanälen sondern in optimaler Bedienung entlang der Einkaufsreise. Kanalübergreifende Services müssen Mehrwerte bieten und die Kunden auf ihrer „Customer Journey“ abholen.

Erlebnis als Erfolgsfaktor

Erfolgreich ist, wer es schafft, Sehnsuchtsräume zu besetzen, und wem es gelingt, Menschen zu berühren, statt nur zu informieren. Wie das in der Praxis gelingen kann, zeigte Manuela Rehn, geschäftsführende Gesellschafterin der Grüne Köpfe Strategieberatung in Berlin. Ihr Laden „Vom Einfachen das Gute“ gehört zu

den spannendsten Konzepten in Berlins aufstrebender Food-Szene. Ihre These, dass nur gute Geschichten die Menschen begeistern können, wurde vom Publikum staunend aufgenommen. Die Weinbranche, die so sehr an ihren produktbezogenen Wertinformationen hängt, muss umdenken und lernen gute und imponierende Geschichten zu erzählen. Wobei das berühmte Storytelling auch einfach, insbesondere aber authentisch sein muss. Bilder in den Köpfen der Kunden anstelle von überfordernden Informationen, so das Credo der sympathischen Strategieberaterin, die eigentlich einmal Regenwaldforscherin werden wollte.

Romana Echensperger spricht über Wein und Kommunikation

Geschichten sind der Schlüssel zum Erfolg

Ganz ähnlich waren die Äußerungen von Prof. Dr. Axel Dreyer der Hochschule Harz. Der ausgewiesene Experte des Weintourismus kann durch viele Studien belegen, was wirklich zählt für die Touristen, die auf den Hof eines Weingutes kommen. Seine Schlussfolgerung, dass Weinqualität nicht alles ist, was Touristen interessiert stößt seiner Erfahrung nach immer wieder auf Reaktanz bei den Zuhörern seiner Vorträge. Nicht die Weinqualität sondern die Erlebnisse drum herum lassen Bilder im Kopf der potentiellen Kunden entstehen, die hängen bleiben und eine Verbindung zum Betrieb herstellen. Je nachhaltig positiver das Erlebnis, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus einem Weintouristen ein echter Kunde wird.  Die Customer Journey nennt er den Gästepfad und die Weinprobe ist der touchpoint. Dabei spielt beispielsweise der erste Eindruck beim Betreten eines Weingutes eine entscheidende Rolle genauso wie Freundlichkeit derer, die man antrifft. Und die Geschichten, die erzählt werden. Genauso wie zuvor Manuela Rehn postuliert er die Authentizität, die hinter allem stehen muss.

Zur Authentizität und einem riesigen Potential an Geschichten wusste auch Romana Echensperger, eine der wenigen Master of Wine in Deutschland, zu berichten. Geschichten, die Wein wieder zu dem machen, wofür er heute nicht immer mehr zu stehen scheint, wenn man die Preise in manchem Regal betrachtet. Wein als Kulturgut. In ihren leidenschaftlich vorgetragenen Ausführungen appellierte sie dafür, die vielen Geschichten, die uns in der Weinwelt zur Verfügung stehen, zu nutzen. Überforderung der Kunden durch Expertenwissen, nennt sie als eines der großen Probleme der Branche. Statt die Menschen mit den wunderbaren Geschichten rund um den Wein zu umgarnen, strapazieren wir die Kunden und führen sie zu negativen Erlebnissen. Beispielsweise die Angst sich zu blamieren, weil man keine Ahnung von Wein habe und nicht erst einen Kurs belegen wolle, um einfach nur einen guten Wein genießen zu können. Überforderung statt Begeisterung, so ihre Erfahrung auch als Sommelière in der Sternegastronomie, führt dazu, dass sich der potentielle Kunde abwende. „Loose the myth but keep the magic“ lautete daher ihr Appell an die Zuhörer.

Standort in digitaler A-Lage

Wie wichtig der Standort bei der Vermarktung von Wein ist, weiß jeder, der im Weinverkauf tätig ist; nicht jeder hat einen Standort in A-Lage. Ganz anders bei eBay! Lara von Tippelskirch-Lauk, Senior Managerin bei eBay Deutschland, stellte den Vertriebspartner in digitaler A-Lage vor. Dass Ebay längst keine Plattform mehr für Gebrauchtes ist, verwunderte so manchen im Auditorium. 80% der bei eBay verkauften Produkte sind Neuware. Die eBay Managerin machte den Zuhörern die digitale Handelsplattform mit einer Reichweite von 17 Mio. aktiven Käufern mehr als schmackhaft. eBay hat die Weinwelt als Wachstumsmarkt entdeckt und als strategisches Ziel die Erzeuger und Händler von Wein im Visier. Neugierig lauschten die Zuhörer den Ausführungen über das, was da an neuen Möglichkeiten der Vermarktung entsteht. Warum einen eigenen Weinshop aufbauen, wenn man einen bestehenden Marktplatz nutzen kann? Über Konditionen freilich muss sich im Nachhinein jeder selbst schlau machen. Das Paket für die Weinwirtschaft ist in jedem Fall geschnürt beim Marktplatz eBay, der zum Ziel hat, größter Anbieter für Wein in Deutschland zu werden. Immerhin wird jetzt schon aus dem derzeitigen Angebot von 47.000 Weinen alle 15 Sek. in Deutschland eine Flasche Wein bei eBay gekauft!

Online und Offline verbindet

Ob online oder offline; was eingangs von Gero Becker vom IfH Köln ausgeführt wurde, dass man die Kunden an den unterschiedlichsten Stellen abholen muss, bestätigte zum Abschluss des spannenden Tages auch Alexander Borwitzky, Geschäftsführer von Jacques´ Wein-Depot  und Vorstandsmitglied der Hawesko Holding. Die Positionierung des erfolgreichen Weinfilialisten „Probieren wie beim Winzer“, findet auch heute noch in den klassischen mittlerweile 300 Wein Depots von Jacques´ statt. Allerdings von einem starken Online-Handel und ausgeklügeltem Marketing begleitet. So finden laut Borwitzky überraschende 90 % der gesamten Einkäufe über die Jacques´ Kundenkarte statt. In ausgefeilter Systematik schafft es Jacques´ die Kunden an jedem Ort abzuholen, an der er eben bereit ist Wein zu kaufen; im Depot, im Wohnzimmer oder auf der Straße. Mobile first! – das Credo der Neuzeit, wurde von Borwitzky eindrucksvoll vorgeführt. Wer nicht im Smartphone vorkommt, der hat heute schon verloren. Ein Klick und das nächste Jacques´ Depot wird angezeigt mit Routenempfehlung, Öffnungszeiten und vielem mehr. Eben allem, was der willige Weinkäufer braucht, um seinen Kauf auch abschließen zu können.

Alles in allem eine runde Sache – wie der Weinmarketingtag selbst. In den beiden Kommunikationspausen herrschte reger Austausch zwischen diesjährigen, früheren und zukünftige Referenten, Ausstellern, Inhabern und Mitarbeitern von Kellereien, Zulieferern, Professoren, Winzern, Vinissima, Genossen, Berufseinsteigern und Alten Hasen. Für einen reibungslosen Ablauf sorgten die Studierenden des Studienganges Weinbetriebswirtschaft und der studentischen Lehrfirma Perspektive Wein. Initiatorin und Moderatorin des Tages Prof. Dr. Ruth Fleuchaus dankte allen für das gute Gelingen und verwies abschließend auf den 10. Heilbronner Weinmarketingtag: am 19. April 2018. Derweil wird der diesjährige Weinmarketingtag auch im Internet diskutiert. Unter Bildern der Referenten schreibt etwa Petra Mayer, PM Kommunikation: „Sehr gute und inhaltsstarke Zusammenstellung der Themen und sehr kompetent, interessant und anregend, unterhaltsam präsentiert. Danke an alle Aktivisten – hinter und auf der Bühne“.

Präsentationen – Programm – Referenten

Eindrücke vom 9. Heilbronner Weinmarketingtag